Vom Überleben als männliche Lesbe im kapitalistischen Feminat

Auf Einladung einer Vermittlerin treffen sich zwei Kandidaten zum Miai, um die Möglichkeit einer Ehe auszuloten.

Wie aus meinen Artikeln über Game hervorgeht, ist es als Verfahren, Beziehungen mit Frauen zu knüpfen, indiskutabel, da untauglich. Wie verheerend es für Männer ist, darauf zu setzen, will ich am Umgang mit Zurückweisungen aufzeigen. Dazu heißt es von Christian auf Alles Evolution:

Gutes Inner Game wäre: “Ich bin nicht ihr Typ oder sie ist vergeben. Gut, dass wir das früh geklärt haben und sie das deutlich sagt. Wenn ich drei Stunden mit ihr geredet hätte und sie es mir dann gesagt hätte, dann hätte ich weniger Zeit gehabt eine Frau kennenzulernen, deren Typ ich bin”.

In einem Kommentar verteidigt er das Reframing der eigenen miserablen Lage:

Wer auf die Idee kommt, dass ihm eine frühe Ablehnung Zeit spart und somit etwas gutes ist, der wird wesentlich weniger frustriert.

Es ist sicher kein Zufall, dass er als Kapitalist eine Ideologie propagiert, die den Benachteiligten empfiehlt, sich in ihrem Elend einzurichten, sich damit abzufinden. Im Gegensatz zu diesen destruktiven Vorschlägen, sich eine Zurückweisung schönzureden, lautete meine Empfehlung in einem Kommentar:

Man schlage der Frau vor, bei ihr für die nächsten Jahre einzuziehen, um ihr eine informierte Entscheidung für eine Beziehung mit sich zu ermöglichen. Gleichzeitig erkläre man sich bereit, bei der Frau durch häufige Oxytocinausschüttung bei gemeinsamem Sex für eine starke emotionale Bindung zu sorgen und ihr die Entscheidung damit zu erleichtern. Das ist man auch der Frau schuldig, die ja glücklich werden will.

Männern, die sich eine Beziehung wünschen, zu raten, sie sollten eine Ablehnung hinnehmen, ist unverantwortlich. Die Perspektive des Alphas, der nur auf schnellen Sex aus ist, liegt solchen Ratschlägen wohl zugrunde. Game-Gurus verkennen, dass die Attraktivität des Partners von Frauen anders bewertet wird als von Männern. Ein Mann erkennt es innerhalb von Millisekunden, wenn eine Frau für ihn nicht attraktiv genug ist. Für Frauen ist das Aussehen eines Mannes jedoch nachrangig für die Bewertung seiner Attraktivität. Die emotionale und intellektuelle Übereinstimmung ist maßgeblicher. Der frühzeitige Abbruch eines Kontakts zerstört Chancen für die Frau und den Mann. Es ist im Interesse beider, dass der Mann hartnäckig bleibt.

Die enge, auf das Individuum fixierte, Betrachtungsweise von Game, suggeriert, dass in der „Selbstoptimierung“ – und nur dort – die Lösung zu finden sei. Sie verbaut den Blick auf mögliche gesellschaftliche Ursachen für die verminderte sexuelle Selbstbestimmung der meisten Männern. Die Praxis der arrangierten Partnerschaft, die in vielen Kulturen gepflegt wird, legt nahe, dass es sinnvoll sein kann, wenn sich mögliche romantische und sexuelle Partner auf längere erste Begegnungen einlassen. Entgegen den Vorurteilen über arrangierte Partnerschaften, muss das Ziel keine Ehe sein und Kandidaten können eine Partnerschaft auch selbst arrangieren. Weder ist eine Auswahl der infrage kommenden Partner durch die Eltern oder Freunde obligatorisch, noch muss irgendeine Pflicht bestehen, sich auf eine Beziehung einzulassen. Das Arrangement ist erforderlich, damit beide Kandidaten eine informierte Entscheidung für oder gegen eine Beziehung treffen können. Arrangierte Beziehungen sind dauerhafter, arrangierte Ehen werden seltener geschieden. Der verlängerte Auswahlprozess liefert den Kandidaten mehr Informationen über einander und erlaubt – so meine Vermutung – eine zuverlässigere Prognose über den weiteren Beziehungsverlauf. Ein Paar hat genug Zeit, um die Liebe zueinander zu entdecken, und genug Zeit, um unüberwindbare Differenzen zu entdecken. Beides ist in einer Pick-Up-Situation unmöglich. Ein Paar kann sich daher, gestützt auf valide Daten, richtig entscheiden.

Das (Selbst-)Arrangement von Begegnungen unterstellt das Paar einer sanften Disziplin, die ihm die Gelegenheit eröffnet, sich besser kennenzulernen. Besonders Love-Shys und männliche Lesben, die ja in der Beziehungsanbahnung nicht die Initiative ergreifen, gewinnen so Zeit, mehr von ihrer Persönlichkeit zu präsentieren. Die Tatsache, dass der Austausch vor einer Entscheidung für oder gegen eine Beziehung viel intensiver und länger ist als in einer typischen, wenige Sekunden dauernden, Pick-Up-Situation, ist ein Filter für die resultierenden Beziehungen. Arrangierte Beziehungen sind vielseitiger als Pick-Up-Beziehungen, in denen aufgrund spontaner körperlicher Anziehung lediglich der Minimalkonsens, miteinander Sex zu haben, erreicht wird. In einer arrangierten Beziehung teilen die Partner mehr Interessen, ergänzen sich besser und harmonieren besser. Das bewusste Arrangement von Beziehungen, die planvolle Gestaltung des heterosexuellen Zusammenlebens, erschließt die ganze Bandbreite unterschiedlichster Beziehungstypen, während Pick Up/Game über Sexbeziehungen, in denen der Mann die Frau dominiert und ein Gedankenaustausch zwischen gleichwertigen Personen explizit ausgeschlossen ist, nicht hinauskommt.

Wie ich in meinem Kommentar bei Christian schon betonte, ist die Bedeutung von Sex in der „Überzeugungs“-Phase vor einer Entscheidung nicht zu unterschätzen. Diese Phase sollte keineswegs eine Zeit der Enthaltsamkeit sein. Sex führt zur Ausschüttung von Bindungshormonen, was insbesondere der Frau eine positive Entscheidung erleichtert. Nicht zu letzt ist es auch im Interesse der Frau, dass ihr die volle Wahlfreiheit gewährt wird. Ist es nicht eine Missachtung von Frauen und Männern, per Pick-Up die schönsten und innigsten Beziehungen im Voraus auszuschließen?

Kommentare zu: "Game verkennt, dass Liebe Zeit braucht" (5)

  1. yxcv schrieb:

    Wichtige Überlegungen, wie ich meine! Das Problem an dem ganz PUA-Zeugs ist, dass die PUAs die weibliche Sexualität als absoluten Bezugsrahmen setzen, nach dem sich das männliche Verhalten schlussendlich auszurichten habe. Dabei wird die weibliche Sexualität nicht hinreichend problematisiert, obwohl ihr mE grundlegend problematische Merkmale anhaften.

    Da ja Weibchen darauf programmiert sind, sich mit den wenigen Alpha-Männern zu paaren, setzen sie eine männliche intrasexuelle Selektion in Gang. Dieser intrasexuelle Konkurrenzkampf erhöht aber die Hierarchisierungstendenz innerhalb der männlichen Population und somit die Ungleichheit innerhalb einer Gemeinschaftsordnung im allgemeinen. Es kommt zu ausgeprägten Rangordnungen und Verteilungskämpfen um die Ressource Sex, was eine Gefährdung des ‚inneren Friedens‘ in einer Gemeinschaft und eine zunehmende Inegalität zur Folge hat.

    Dem kann durch „Zwangsverpaarung“ teilweise entgegen gewirkt werden und es ist interessant zu beobachten, dass vor allem sesshafte Kulturen, für die es notwendig ist, den Binnenfrieden aufrechtzuerhalten, solche Einrichtungen eingeführt haben.

    Eine Beobachtung möchte ich noch anschließen: ich denke, es ist keine Zufall, dass mit der Entwicklung effektiver Antikontrazeptiva (Anti-Baby-Pille) und der damit einhergehenden Entregelmentierung der weiblichen Sexualität die Ungleichheit in der westlichen Gesellschaft zugenommen, der Konkurrenzkampf sich verschärft hat, und Einkommens- und Vermögensunterschiede größer geworden sind.

    • „ich denke, es ist keine Zufall, dass mit der Entwicklung effektiver Antikontrazeptiva (Anti-Baby-Pille) und der damit einhergehenden Entregelmentierung der weiblichen Sexualität die Ungleichheit in der westlichen Gesellschaft zugenommen, der Konkurrenzkampf sich verschärft hat, und Einkommens- und Vermögensunterschiede größer geworden sind.“

      Anfangs ging die Entwicklung sogar zu mehr Freizügigkeit, was in der sexuellen Revolution gipfelte. Frauen hatten viel Sex und Spaß dabei, weil sie keine Schwangerschaft befürchten mussten. Nach einigen Jahren scheinen sie aber wieder die Erpressungsfunktion der Verknappung von Sex entdeckt zu haben. So können sie ein angenehmes Leben im Wohlstand führen und sich von Männern versorgen lassen. Im Tausch gibt es ein paar Mal Sex oder oft nur die Aussicht auf Sex.

      Die Sexualität der Frauen muss sich ganz massiv ändern. Die Unterdrückung der sexuellen Selbstbestimmung des Mannes ist nicht länger hinnehmbar.

      • unkraut schrieb:

        Ich hab von den 70ern keine Ahnung.
        Aber ich glaube auch da gab es die „neuen“, die wild rumgevögelt haben, wie auch die „konservativen“, die allenfalls nur deshalb so manches „Getestet“ haben, um den richtigen Partner zu finden.

        Und irgendwann kam dann die Aids-Welle in den 80ern (?)
        Zumindestens glaub ich nicht, dass „Sexuelle Verknappung“ mit Machtspielchen zu tun hat, sondern weil es einfach dämlich ist, mit fremden Leuten ohne Gummi rumzumachen.
        Damit ist natürlich nicht auszuschließen dass es Frauen gibt die NUR deshalb eine feste Beziehung suchen, um sich nen faulen Lenz zu machen. Ebenso wie es Männer gibt, die nur ne Beziehung eingehen weil sie dann „mühelos“ regelmäßigen Sex haben.

        Aber wo unterdrückt es die sexuelle Selbstbestimmung des Mannes, wenn Frauen außerhalb von Beziehungen keine Lust haben wild rumzuvögeln?
        Selbst innerhalb von Beziehungen wird die sexuelle Selbstbestimmung des Mannes nicht unterdrückt, wenn sie keine Lust hat. Schließlich ist das keine Verbindung auf ewig und kann jederzeit auch aus solchen Gründen beendet werden. Niemand ist gewzungen in einer Beziehung zu bleiben, in der er nicht glücklich ist.
        Aber auch niemand ist gezwungen „Sex“ haben zu „müssen“, wenn er nicht will.

        Wenn sexuelle Selbstbestimmung allerdings bedeutet, dass man Sex haben kann, wann immer man will, dann halte ich das für eine sehr eigenwilligen Interpretation.

        Also wo werden Männer unterdrückt?

        Die andere Sache ist: es gibt nichts umsonst, weder für Männer noch für Frauen.
        Beide Geschlechter müssen sich auf irgendeine Weise qualifizieren.
        Aber auch beide Geschlechter haben die Arschkarte gezogen, wenn sie nicht „qualifiziert“ genug sind.

        Geht man von deinem Modell der „arrangierten Partnerschaft“ aus, müssen sich auch da beide Qualifizieren. Der einzige Unterschied ist doch, dass zumindestens Theoretisch andere Urteile gefällt werden, wenn sich zwei potentielle Partner gegenseitig richtig kennenlernen können. Das bedeutet aber nicht, dass sich „wirklich“ beide Partner auch qualifizieren.
        Wenn aber etwas „sozial“ arrangiert wird, dann besteht evtl aber auch der „soziale Druck“, dass das ganze funktioniert. Klar, muss nicht beides zusammentreffen, aber wenn ich mir das Sozialverhalten von Menschen so angucke scheint das häufig der Fall zu sein.
        Und da hört es dann wieder mit der „Selbstbestimmung innerhalb eines offenen Arrangements“ auf.
        Die andere Sache ist: wenn ein Partner sich nicht qualifiziert, dann kann man das Oxytocin beim Sex auch wieder vergessen. Denn dass dieses Hormon ausgeschüttet wird ist nicht alleine vom Sex abhängig, man kann auch Sex ohne Oxytocin haben. Dann sorgt auch Sex nicht für eine Bindung sondern bleibt ein „Nebeneinander“.

  2. chi-tace-acconsente schrieb:

    „Man schlage der Frau vor, bei ihr für die nächsten Jahre einzuziehen, um ihr eine informierte Entscheidung für eine Beziehung mit sich zu ermöglichen.“

    Schon mal ausprobiert? Erzähl doch mal von den Reaktionen, die da so kommen. Das würde mich interessieren. Vor allen Dingen, wenn es eine Frau ist, die sich nicht für dich interessiert und die von dir total genervt ist und der du dann vorschlägst, für mehrere Jahre bei ihr einzuziehen, damit sie deine „Vorzüge“ besser schätzen lernt.

  3. […] effiziente Schmarotzen. Wie die Partnerfindung rational organisiert werden könnte, habe ich hier begründet. Bevor eine Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau für aussichtslos erklärt […]

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