Du wirst nämlich die Liebeserwiderung, die du bei einer Frau suchst, nicht finden können. Niemals nämlich liebte irgendeine Frau einen Mann, noch weiß sie sich mit beidseitiger Fessel der Liebe an einen Liebhaber zu binden. Die Frau sucht nämlich bei der Liebe reich zu werden, nicht aber dem Liebespartner willkommene Wonnen zu gewähren; es darf sich aber auch niemand darüber wundern, da es aus ihrer Natur hervorgeht.
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Diese klugen Worte schrieb im 12. Jh. ein gewisser Andreas Capellanus in seiner Abhandlung De amore (Über die Liebe). Die Identität des Verfassers ist ungeklärt. Der Autor gestaltete den Text in den ersten zwei Büchern als einen Ratgeber, in dem er sich an seinen fiktiven Schüler „Walter“ wendet, um ihn in der Liebe zu unterrichten. Im dritten und letzten Buch (Die Ablehnung/Verurteilung der Liebe), aus dem das obige Zitat stammt, warnt er seinen Schüler vor der Liebe und vor Frauen. Dieser Teil ist m. E. der interessanteste, da er über die Gefahren, die von Frauen und der Liebe – sie gilt dem Autor als Krankheit, die Männer befällt – ausgehen, aufklärt und damit die romantischen Illusionen, Hoffnungen und Erwartungen, die die meisten Männer haben mögen, zunichte macht. Da von Frauen keine Erwiderung der Liebe zu erwarten ist, weil sie zu Liebe unfähig sind und sich nur bereichern wollen, rät Andreas Capellanus seinem Schüler, von der Liebe ganz Abstand zu nehmen und sein Leben nicht an eine falsche Hoffnung zu vergeuden.
Andreas Capellanus war mutmaßlich eine der seltenen Personen, die sowohl Pick Up Artist als auch MGTOW/Herbivore waren. Er kann wohl auch als einer der ersten Vertreter dieser beiden Figuren gelten, zumindest jener, die über ihre speziellen Einsichten in die Natur der Frau geschrieben haben.
Der inhaltliche Bruch zwischen Game-Ratgeber und scharfer Verurteilung der Liebe gibt Rätsel auf. Es gibt jedoch Lesarten, in denen sich der Widerspruch auflöst und beide Elemente vereinbar sind: Erstens liefert v. a. das erste Buch Anschauungsmaterial, dass das Stillen des Dursts nach Liebe durch die Gnade von Frauen nur mit albernen Verrenkungen erkauft werden kann. Der Mann kann nie seine Gefühle ehrlich zeigen, er muss sich verstellen. Er darf nicht lieben. Die teuer erkaufte Dienstleistung der Frau ist ebenfalls keine Liebe, da sie nicht aus gleichem Interesse freigebig gespendet wird, sondern nur im Tausch gegen materielle Leistungen simuliert wird. Die vermeintlich Geliebte ist daher bloß eine Nutte. Einem kritischen Leser würden schon die Einsichten des ersten Buchs genügen, um einige Schlussfolgerungen des dritten Buches für sich zu ziehen. Zweitens mag die persönliche Biografie des Autors oder das, was er als Biografie eines von der Liebe getriebenen Mannes für plausibel hielt, als Inspiration für den Aufbau von De amore gedient haben. Es ist denkbar, dass ein Jugendlicher der Liebe verfällt, sich als junger Mann immer geübter um die Liebe von Frauen bemüht und irgendwann die logischen Schritte, die aus der Falschheit des Verführungsspiels die Unmöglichkeit jeder Liebe von Frauen herleiten, auch in seiner Biografie nachvollzieht und sich letztlich aus Einsicht von der Krankheit der Liebe zu befreien versucht. Drittens dürfte es von Andreas Capellanus auch didaktisch klug gewesen sein, ausführlich darzulegen, wie (vermeintliche) Liebe zu gewinnen und zu halten ist. Denn wer nicht versteht, wie das Spiel der Verführung funktioniert, wird nicht erkennen, warum er dabei von Frauen gedemütigt wird und das Spiel immer verlieren wird. Darum wird auch jemand, der vor Frauen lediglich gewarnt wird, versuchen, eigene Erfahrungen mit Frauen zu machen. Andreas Capellanus hat, indem er sein Werk auf die ersten zwei Bücher gründete und das dritte Buch nur als kürzere Ergänzung angefügt hat, gewiss vielen seiner Leser den Schmerz der Niederlage bei Frauen erspart. Darüber hinaus gelang es ihm auf diese Weise, eine solide und glaubhafte Gesamtbetrachtung des Themas Liebe zu erstellen, die erst nach einer gründlichen Analyse von allen Seiten zu ihrem vernichtenden Resultat gelangt.
Die ersten zwei Bücher sind aufgrund dieses Zusammenspiels aller Bücher durchaus lesenswert und tragen zur Wirkung des dritten Buchs wesentlich bei. Doch auch die Erheiterung jener Leser, die die aktuellen Ergüsse des Genres der Eroberungsratgeber kennen, ist garantiert. Letztlich arbeiten sich solche Ratgeber vergeblich an demselben uralten Problem der Liebesunfähigkeit der Frau ab und empfehlen dieselben alten Strategien der Täuschung. Zumindest war Andreas Capellanus so aufrichtig, das notwendige Scheitern dieses Ansatzes zu antizipieren. Wie seine modernen Pendants bringt schon De amore Modell-Dialoge, die Männern vermitteln sollen, was sie gegenüber Frauen sagen sollen und wie diese antworten könnten. Zum Aufreißen einer Frau der Mittelschicht durch einen Mann derselben Schicht wird beispielsweise folgender Einstieg empfohlen:
First you should say things that have nothing to do with your subject–make her laugh at something, or else praise her home, or her family, or herself. For women, particularly middle-class women from the country, commonly delight in being commended and readily believe every word that looks like praise. Then after these remarks that have nothing to do with your subject, you may go on in this fashion:
“When the Divine Being made you there was nothing that He left undone. I know that there is no defect in your beauty, none in your good sense, none in you at all except, it seems to me, that you have enriched no one by your love. I marvel greatly that Love permits so beautiful and so sensible a woman to serve for long outside his camp. O if you should take service with Love, blessed above all others will that man be whom you shall crown with your love! Now if I, by my merits, might be worthy of such an honor, no lover in the world could really be compared with me!”
Im weiteren Verlauf werden die ausgetauschten Gesprächsinhalte immer dümmlicher. Die Aufreißsprüche des 12. Jh. standen den heutigen in nichts nach, sind lediglich kulturell und sprachlich Produkte ihrer Zeit. (Ob sie heute noch taugen, Altphilologinnen auf Lateinisch klar zu machen, bleibt als Übung dem Leser überlassen.) Die Dummheit der Frauen erforderte eben immer schon ein entsprechendes Entgegenkommen des Mannes auf gleichem Niveau. Wie man sieht, mussten Männer auch die Lüge und Verstellung meisterhaft beherrschen, um überhaupt bei einer Frau Gehör zu finden. Frauen sind naturgemäß Lügnerinnen und erwarten von anderen stets, getäuscht zu werden. Dazu noch einmal eine schöne Passage aus dem dritten Buch:
Furthermore, not only is every woman by nature a miser, but she is also envious and a slanderer of other women, greedy, a slave to her belly, inconstant, fickle in her speech, disobedient and impatient of restraint, spotted with the sin of pride and desirous of vainglory, a liar, a drunkard, a babbler, no keeper of secrets, too much given to wantonness, prone to every evil, and never loving any man in her heart.
(…)
We know that everything a woman says is said with the intention of deceiving, because she always has one thing in her heart and another on her lips. No man can pride himself on knowing a woman so well or on being on such good terms with her that he can know her secret thoughts or when she means what she says. No woman ever trusts any of her men friends, and she thinks every one of them is a downright deceiver; so she always keeps herself in the mood for deception, and everything she says is deceitful and uttered with a mental reservation. Therefore never rely on a woman’s promise or upon her oath, because there is no honesty in her; always be careful to keep your intentions hidden from her, and never tell her your secrets; in that way you may cheat one trick with another and forestall her frauds.
Die englische Übersetzung aller drei Bücher („The Art of Courtly Love“) von John Jay Parry, der die vorstehenden Zitate entnommen sind, kann auf der Literaturseite heruntergeladen werden.
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